Baby – Lioba von den Driesch

Die Poesie der Fehlleistungen bei Transformationen zwischen Analog und Digital

*Nach einem kurzen Moment des Nachgebens neuen Halt findend*

Die Momentaufnahme eines Konfliktes zwischen dem digitalen Programm und der analogen Situation: Während eines 3D-Druckvorgangs kippt eine Stützstruktur und zieht das Filament mit sich. Das Vorhaben, mit einer digital gesteuerten Würstchentechnik eine Figur aufzubauen, scheitert (vorübergehend) an den physikalischen Gegebenheiten des Ortes der Erschaffung.

Der Drucker hat keine Sensoren und im digitalen Programm ist diese Form der Haltlosigkeit nicht vorgesehen, beide machen unbeeindruckt weiter und es entsteht unberechenbares Chaos. Wie aus einer plötzlichen Laune heraus vollenden sie dann doch das Werk nach Plan, ein ganz eigene unnachahmliche Form der Poesie.

Das Objekt selbst hat eine Geschichte der Transformation. Es ist es ein Bronzeabguss einer Babypuppe, den ich an meinem 18. Geburtstag im April 1975 auf dem Flohmarkt in Middelburg, Zeeland, gekauft habe. Die Vorgeschichte bleibt im Dunkeln: Eine namenlose Person entschließt sich aus unbekannten Beweggründen eine Puppe abzugießen. Es handelte sich um ein Standard Model der belgische Firma Unica, 60er Jahre, mit Haaren und Klappaugen, wahrscheinlich auch mit beweglichen Armen, all das läßt sich aus dem Bronzeabguss ablesen. Auch ein bißchen die Qualen seiner Herstellung

Der Abguss ist an den Händen und Füßen mißlungen und auch an anderen Stellen nicht perfekt und unbeholfen nachgebessert, aber letztlich ist es ein in Bronze gegossenes Reiterstandbild des Kindchenschemas … das ideale Objekt, um den Komplex Fotogrammetrie und 3D Druck für die Medienwerkstatt zu erschließen …

Die Transformation ins digitale scheint gelungen. Aber die genauere Erkundung des Polygonnetzes zeigt Fehlberechnungen: schwebende Körper im Inneren und Trabanten, die allen physikalischen Gesetzen widersprechen.

Die Poesie der Fehlleistungen bei Transformationen zwischen Analog und Digital

ist kein konzeptuelles Kunstwerk, sondern eine Begleiterscheinung meiner Schritte in einem fortlaufenden Lernprozess, sowohl technisch, als auch inhaltlich, zu dem Komplex Simulation, Reproduktion und Nachahmung, Vorbild/Abbild und dem „Stille-Post-Effekt“, der dabei wirksam wird. Die Schwellenwerte als Grundlage der Digitalisierung, die Primärfarben … und die Stützstrukturen – zu denen in gewisser Weise auch Konzepte wie das Kindchenschema und die antiken Skulpturen mit ihren fehlenden Gliedmaßen und komponierten Drappagen zählen.